Adrian Gmür
vermisst im Polit Geflüster, den gut schweizerischen Kompromiss.
32 Jahre lang führten Emil und Silvia Rüdlinger ihr Fachgeschäft für Eisen- und Haushaltswaren in Wattwil. Ende September schliesst das erfolgreiche Familienunternehmen. Eine Nachfolgeregelung konnte gefunden werden.
Bald ist es so weit: Ein wichtiges Kapitel im Leben von Emil und Silvia Rüdlinger geht zu Ende. 32 Jahre lang führten sie mit viel Leidenschaft ihr Fachgeschäft für Eisenwaren und Haushaltsartikel in Wattwil an der Rickenstrasse 21. Am Samstag, 30. September, werden sie zum letzten Mal gemeinsam im Laden stehen. Danach werden die Türen geschlossen, ein wenig wehmütig, aber auch zufrieden, mit dem Wissen einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben. Gleichzeitig freuen sich Emil und Silvia Rüdlinger auf den neuen Lebensabschnitt, auf mehr Zeit für sich, füreinander und über die Möglichkeit, zukünftig mehr Raum für ihre Interessen und Hobbys zu haben.
Während der über drei Jahrzehnten langen Geschäftstätigkeit haben die Rüdlingers einen grossen und vor allem treuen Stammkundenkreis aufgebaut. «Einen faireren Handel zu betreiben, war uns stets wichtig. Zwischenmenschliche Beziehungen standen im Vordergrund. Wir sind der Überzeugung, dass alles ein Geben und Nehmen sein sollte», meint der naturverbundene Emil Rüdlinger. «Selbstverständlich, muss man als Unternehmer wirtschaftliche Ziele verfolgen, jedoch sollte dieses materialistische und ökonomische Denken niemals von egoistischer Natur überschattet sein.» So war das Fachgeschäft in Wattwil auch ein Ort der Begegnung, wo man sich mit Herzlichkeit die Zeit für persönliche Gespräche genommen hat. Die Stammkundschaft bedauere die baldige Schliessung, sagt Emil. Zumindest sei dies der vorherrschende Tenor, den er und seine Frau Silvia wahrnehmen. Neben der Geschäftsphilosophie, bei der die persönliche Beratung im Vordergrund stand, setzte das Ehepaar alles daran ihr Sortiment den Kundenwünschen entsprechend auszurichten. Rüdlingers Eisenwaren und Haushaltsgeschäft bot ein breites und spezielles Angebot. Die Kundschaft fand im gut sortierten Fachgeschäft von Haushaltswaren über Innendekorationsartikel, Werkzeuge, Maschinen und landwirtschaftliche Gebrauchsartikel alles bis zur Befestigungstechnik wie allerlei Nägel, Schrauben und Beschläge. Saisonale Freizeitartikel wie Grillzubehör, Sonnenschirme oder Schlitten ergänzten das Angebot.
Gegen 40 bis 50 Tausend Artikel führte Rüdlingers Eisenwaren und Haushaltsgeschäft. Vor allem Privatkundinnen- und Kunden, aber auch Handwerker schätzten das breite und tiefe Sortiment. Die Zahl der kleinen Handwerksunternehmen, die früher oft den Weg ins Ladengeschäft fanden, nahm in den letzten zehn Jahren leider stetig ab. «Es wurde immer schwieriger, mit den grossen Anbietern auf dem Markt Schritt zu halten. Der Direktvertrieb der Hersteller sowie der wachsende Onlinehandel brachte in den letzten Jahren eine Preispolitik hervor, mit der wir längerfristig nicht mithalten konnten», erklärt Emil Rüdlinger. Um sich den stetig verändernden Gegebenheiten des Markts anzupassen, wurde nicht nur fortlaufend das Produktangebot erweitert, sondern war es anfangs der 2000er Jahre auch an der Zeit das Ladenlokal zu vergrössern. So entstand im 2004 der Neubau, wie er heute steht. Die Präsentationsfläche für ihre Produkte wurde dadurch massiv vergrössert. Der geplante Anbau sollte aber auch andere Kriterien erfüllen. Als naturverbundene Menschen recherchierten Silvia und Emil nach Bauweisen, die ihrer Philosophie entsprachen. Fündig wurden sie mit dem Vollholz-Baussystem «Holz100», das vom Österreicher Erwin Thoma erfunden wurde. Dieses verfolgt das Bauen im Einklang mit der Natur und verbindet massives Mondholz mittels Holzdübel anstatt mit giftigem Leim. Der Bau verspricht eine unvergleichbare Raumenergie, die teilweise auch der Kundschaft aufgefallen sei, bestätigt Emil. Er und Silvia Rüdlinger bedanken sich recht herzlich bei allen, die sie während der letzten 32 Jahren Geschäftstätigkeit begleitet und unterstützt haben. Denn vom ersten Tag an konnte das Ehepaar auf die Unterstützung der Familie und aus dem Bekanntenkreis zählen. Von Anfang an tatkräftig mit dabei war Erika Bösch, die Schwester von Emil. Bis heute beratet sie die geschätzte Kundschaft im Laden und agiert im Büro des Unternehmens. «Wir waren ein sehr gut eingespieltes Trio», schmunzelt Emil. Ein weiteres Dankeschön gebührt selbstverständlich der über die vielen Jahre treu gebliebenen Kundschaft.
Der gelernte Schreiner und Landwirt Emil Rüdlinger wuchs auf einem Bauernhof in Wattwil auf. Auf dem elterlichen Hof hat er immer gerne geholfen, sein erstes Geld habe er aber mit Schreinerarbeiten verdient. Zusammen mit seiner Frau Silvia, die früher als gelernte Floristin arbeitete, bot sich anfangs der 90er Jahre die Möglichkeit, das heutige Geschäft zu übernehmen. Der damals 70-jährige Wattwiler Hans Meier suchte einen Nachfolger für seine Wagnerei. Neben Schlitten und Fuhrwerken für den Alpgang, sogenannten Lediwagen, die anno dazu mal von Pferden gezogen wurden, widmete sich Hans Meier auch der Herstellung von Skis, die er in seinem damals knapp 40 quadratmetergrossen Geschäft verkaufte. Schliesslich revolutionierte die Industrialisierung die Skiherstellung. Von nun an wurden in grosser Stückzahl moderne Wintersportgeräte mit Kanten fabriziert. So baute der Wagner 1956 seine Werkstatt aus und betrieb neben dem Holzhandwerk auch einen Eisenwarenhandel. «Als Schreiner dachte ich, dass ich mein Handwerk in einer Wagnerei bestens einsetzten könnte und meine Frau Silvia den Verkauf übernehmen wird», erinnert sich Emil heute. Zu Arbeiten in der Werkstatt sei er aber kaum gekommen. Der Handel, den er bis dahin nicht kannte, nahm mehr Zeit in Anspruch als angenommen. «Die ersten sieben Jahre unserer Geschäftstätigkeit waren sehr kräfteraubend. Ich musste von Grund auf alles erlernen, war ich doch zuvor nie in diesem Bereich tätig», fügt Emil hinzu, der am 5. Oktober 1991 gemeinsam mit seiner Frau Silvia die Liegenschaft samt Geschäft und Inventar von Hans Müller erwarb. Der einstige Eigentümer Hans Müller setzte sich nach seinem Verkauf aber nicht zur Ruhe. Bis ins hohe Alter von 95 Jahren stand er noch in der Werkstatt, um seinem Handwerk nachzugehen.
Seit sieben Jahren suchte das Ehepaar Rüdlinger einen Nachfolger. Jemand, der die Motivation mitbringt, den Betrieb mit gleicher Leidenschaft zu führen, wie sie es taten. Innerhalb der Familie konnte leider keine Lösung gefunden werden und so haben sie während der vergangenen Jahre rund 30 Interessenten durch ihren Betrieb geführt. Eine Zusage zur Übernahme blieb aus bis die Firma Briner, ein Unternehmen der Arthur Weber AG, im März dieses Jahres auf den Standort in Wattwil aufmerksam wurde und von Rüdlingers den Zuschlag als Mieter erhielt. Anfangs 2024 plant die Firma, ihre neue Filiale an der Rickenstrasse 21 zu eröffnen, in der Silvia Rüdlinger weiterhin in einem 50 Prozent Pensum als Verkaufsberaterin tätig sein wird. Im neuen Geschäft werden Produkte im Bereich Eisenwaren und Haustechnik zu finden sein. Aber am besten besuchen Sie die Filiale selbst, wenn es so weit ist. Emil und Silvia Rüdlinger freuen sich über die Lösung und darüber, mit Briner einen guten Nachfolger gefunden zu haben. Bis Ende September läuft aber noch der Ausverkauf des Sortiments des Rüdlinger Eisenwaren und Haushaltsgeschäfts. Auf das ganze Sortiment erhalten Sie einen Preisnachlass von 70 Prozent. Vieles ging schon über die Ladentheke. Es lohnt sich aber trotzdem noch, vorbeizuschauen, ob zum Schnäppchenkauf oder einfach für einen Schwatz.
Viel Herzblut steckten Emil, Silvia und Erika in den Betrieb. Es habe ihnen immer Freude bereitet, sich um die Anliegen ihrer Kundschaft zu kümmern, trotzdem freuen sie sich auch auf den kommenden Lebensabschnitt. Die Freizeit war rar in Vergangenheit. Dies wird sich nun ändern. Emil gibt als 70-Jähriger sein Geschäft ab. Im gleichen Alter wie es damals sein Vorgänger Hans Meier vorgemacht hatte. Silvia wird mit ihrem 50 Prozent Pensum auch mehr Freizeit zur Verfügung haben und gemeinsam wollen sie diese auch geniessen. «Meine Frau ist ein «Reisefüdli», lacht Emil. «Sicherlich werden wir mit unserem VW California die Welt bekunden. Ich freue mich aber auch darauf, mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Ob beim Wandern, Schneeschuhlaufen, im Garten oder beim Wald aufräumen – langweilig wird es mir bestimmt nicht», versichert er zufrieden.
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